Das ist kein Inklusionsgesetz
Der Entwurf des indirekten Gegenvorschlags zur Inklusions-Initiative liegt vor. Im ersten Moment schürt dieses «Inklusionsgesetz» Hoffnungen. Bei genauer Analyse wird klar: Der aktuelle Entwurf wird die Lebenssituation von 1,9 Millionen Menschen mit Behinderungen nicht verbessern. Hier unsere Antwort auf diesen ersten Entwurf.
Der Bundesrat will unsere Meinung zum Entwurf des Gegenvorschlags kennen. Dieser Prozess nennt sich Vernehmlassung und dauert bis am 16. Oktober 2025. Als Trägerverein der Inklusions-Initiative haben wir eine Antwort verfasst. Diese Vernehmlassungsantwort wird nicht nur vom Verein für eine inklusive Schweiz, sondern auch vom Initiativkomitee der Inklusions-Initiative gestützt.
Im untenstehenden Brief an den Bundesrat finden sich die wichtigsten Kritikpunkte und unsere Vorschläge zur Verbesserung des Entwurfs des Gegenvorschlags.
Bemerkung: Der indirekte Gegenvorschlag setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Der Schaffung eines neuen Inklusionsgesetzes (InG) und Anpassungen im Invalidenversicherungsgesetz (IVG). Zusätzlich soll das Bundesgesetz über die «Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG)» aufgehoben werden.
Die ausführliche Antwort unseres Vereins ist hier .
Sehr geehrte Frau Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrats
Wir bedanken uns für die Möglichkeit, im Vernehmlassungsverfahren zum indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Inklusions-Initiative)» Stellung nehmen zu können.
Menschen mit Behinderungen sind in der Schweiz nach wie vor mit tiefgreifenden und weitreichenden Einschränkungen ihrer Rechte konfrontiert. Die Inklusions-Initiative soll ihre Lebenssituation verbessern. Sie verlangt die Umsetzung der 2014 von der Schweiz unterzeichneten Behindertenrechtskonvention der UNO (UN-BRK). Denn bis heute fehlen eine Strategie zur schrittweisen Umsetzung der UN-BRK und die erforderlichen Massnahmen.
Deshalb sind die Inklusions-Initiative und der entsprechende indirekte Gegenvorschlag des Bundesrates für viele Menschen mit Behinderung mit grossen Hoffnungen verbunden.
Leider ist der Entwurf des Gegenvorschlags für uns eine grosse Enttäuschung. Denn er verpasst die Umsetzung der UN-BRK und nimmt die Anliegen der Inklusions-Initiative nicht genügend auf. Er stellt keine Weichen für eine fortschrittliche Behinderten- und Inklusionspolitik der nächsten Jahrzehnte.
Der Entwurf des Inklusionsgesetzes (InG) definiert einen Behinderungsbegriff, von dem drei Viertel der Menschen mit Behinderungen ausgeschlossen sind.
Im Bereich Wohnen wird die Chance verpasst, einen Rechtsanspruch von Menschen mit Behinderungen auf selbstbestimmtes Wohnen zu verankern und die Verpflichtungen von Bund und Kantonen klarzustellen. Eine klare und mit den Kantonen koordinierte Gesamtstrategie zur Sicherstellung des selbstbestimmten Wohnens wird nicht verankert.
Im Rahmen des Invalidenversicherungsgesetzes (IVG) wird zudem die Möglichkeit verpasst, den Zugang zu notwendigen Assistenz- und Unterstützungsleistungen sowie modernen Hilfsmitteln zu öffnen und diese Leistungen zu stärken.
Insgesamt bietet der Entwurf des Gegenvorschlags keinen bedeutenden Mehrwert für Menschen mit Behinderungen. Er zielt weit an ihren berechtigten Forderungen vorbei.
Soll der Gegenvorschlag eine Antwort auf die Inklusions-Initiative sein, so muss er stark verbessert werden.
Mit freundlichen Grüssen,
Der Vorstand des Vereins für eine inklusive Schweiz
Die Mitglieder des Initiativkomitees der Inklusions-Initiative
MACH MIT, DENN DEINE MEINUNG ZÄHLT!
Die Stimme des Vereins für eine inklusive Schweiz alleine ist nicht laut genug. Wir brauchen jetzt die Rückmeldung aller Menschen, die unsere Initiative unterschrieben haben. Mach mit, und verfasse deine eigene Vernehmlassungsantwort! Damit der vorliegende Entwurf des Inklusionsgesetzes nachhaltig verbessert wird!
Mach mit bei der Postkarten-Aktion und schreibe dem Bundesrat deine konkreten Verbesserungsvorschläge für das Inklusionsgesetz. Wir haben vorfrankierte Postkarten vorbereitet, die du einfach bestellen kannst. An einer Aktion überreichen wir dem Bundesrat und zuständigen Departement die gesammelten Rückmeldungen. Bestelle jetzt deine Postkarte und hilf mit, das Inklusionsgesetz zu verbessern!
Einsendeschluss ist der 15. September 2025! Also nichts wie los!
Was fordert die Inklusions-Initiative?
Viele Menschen mit Behinderungen sind gezwungen, in Institutionen zu leben. Die Inklusions-Initiative fordert, dass alle Menschen das Recht auf freie Wohnform und Wohnort haben.
Menschen mit Behinderungen werden in vielen Bereichen ausgeschlossen. Dies betrifft beispielsweise Wohnen, Bildung, ÖV, Kultur, Dienstleistungen und Bauten. Die Inklusions-Initiative fordert ein Ende der Diskriminierung.
Die Ausübung einer beruflichen oder politischen Tätigkeit ist für viele Menschen mit Behinderungen erschwert. Die Inklusions-Initiative fordert mehr Assistenz, damit Menschen mit Behinderungen vollumfänglich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
Breite Unterstützung für die Initiative
Hinter der Inklusions-Initiative steht ein breit abgestütztes, überparteiliches Initiativkomitee, ein Bürger:innen-Komitee und unterstützende Organisationen. Die Initiative wurde am 5. September 2024 in Bern eingereicht und ist mit 107'910 gültigen Unterschriften zustande gekommen.
Hinter der Vernehmlassungsantwort steht der Verein für eine inklusive Schweiz. Er ist die Trägerorganisation der Inklusions-Initiative, die im September 2024 eingereicht wurde.