Es betrifft unser tägliches Leben
Am 29. September wurden im Rahmen der Vernehmlassung über 800 Postkarten von Bürger:innen an das Eidgenössische Departement des Innern überreicht. Sie enthalten Rückmeldungen zum Gegenvorschlag der Inklusions-Initiative. Bei der Aktion auf dem Bundesplatz hielt der 18-jährige Julian Moser, selbst im Rollstuhl, eine Rede.
Rede von Julian Moser an das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen:
Sehr geehrte Giulia Brogini, sehr geehrte Damen und Herren des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, liebe Anwesende
Mein Name ist Julian Moser und ich bin 18 Jahre alt. Wir haben uns heute hier versammelt, um Ihnen zahlreiche Postkarten zu überbringen. Darauf finden Sie die Stimmen ganz unterschiedlicher Menschen: Menschen mit und ohne Behinderungen, deren Angehörige, Freund:innen und Bekannte. Sie alle haben sich die Mühe gemacht, ihre Gedanken zum indirekten Gegenvorschlag zur Inklusions-Initiative aufzuschreiben.
Diese Mühe ist nicht selbstverständlich. Die wenigsten nehmen je an einer Vernehmlassung teil. Doch hier haben viele mitgemacht – weil es um ihre Rechte geht. Weil sie die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen nicht als Sonderanliegen verstehen, sondern als eine Selbstverständlichkeit, die längst Realität sein sollte. Denn für mich – und für viele andere – ist das, worüber wir sprechen, keine theoretische Frage. Es betrifft unser tägliches Leben. Es ist auch nicht nur eine bestimmte Gruppe, die betroffen ist, denn jeder in dieser Gesellschaft kann in die Situation kommen, mit Einschränkungen leben zu müssen. Oder Angehörige zu haben, die durch Geburt, Krankheit oder Unfall in eine solche Lage kommen.
Die Rückmeldungen sind deutlich: Der Gegenvorschlag zur Inklusions-Initiative greift viel zu kurz. Er beschränkt sich fast ausschliesslich auf das Thema Wohnen in Institutionen. Doch was ist mit selbständigem Wohnen? Was ist mit Bildung, Arbeit, Freizeit und öffentlichem Verkehr? Was ist mit umfassenden Assistenzleistungen, die all das erst möglich machen? Wo ist die Bereitschaft, dafür die nötigen Mittel bereit zu stellen? Es fehlen zudem klare Verbindlichkeiten. Die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen bleiben unklar. Und ohne konkrete Aktionspläne oder Überprüfungsmechanismen ist nicht erkennbar, wie die Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention schlussendlich gewährleistet werden kann.
Sehr geehrte Mitglieder Frau Brogini, sehr geehrte Mitarbeitende des EBGB: Wir bitten Sie, diese Rückmeldungen ernst zu nehmen und in die Überarbeitung des Gegenvorschlags einfliessen zu lassen. Beziehen Sie uns ernsthaft in den Prozess der Verbesserung des Gegenvorschlags mit ein! Bestimmen Sie nicht ohne uns über unsere Zukunft! Wir brauchen ein Inklusionsgesetz, das uns ein würdiges, selbstbestimmtes und erfüllendes Leben erlaubt. Dass so ein Gesetz Realität wird, dafür kämpfen wir!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
HINWEIS: Die Rede von Julian Moser anlässlich der Postkarten-Übergabe ist als Video mit DSGS auf dem Youtube-Kanal der Inklusions-Initiative nachsehbar.